Rechnernetze
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Einleitung

Geschichte der Vernetzung

Die Entwicklung in der Rechentechnik begann mit autonomen Rechnern, die nur von einem Nutzer zur Zeit verwendet werden konnten, über zentrale Großrechner, die ihre Rechenleistung mehreren Nutzern gleichzeitig anboten, welche jedoch meist in unmittelbarer räumlicher Nähe der Rechenanlagen über Terminals angeschlossen waren. Ende der sechziger Jahre wurde mit dem ARPA-Netz die digitale Kommunikation erprobt und Mitte der siebziger Jahre in einem bis heute geltenden Standard festgelegt. Die dabei eingeführte Technik konnte zum Anschluss an zentrale Rechner genutzt werden. Gleichzeitig entstand mit PC und Arbeitsplatzrechnern eine Ablösung des Zentralrechnerkonzepts hin zu dezentraler Rechenleistung. Damit wurden zwar Leistungsprobleme gelöst, aber die Kommunikation unter den Teilnehmern des Rechenbetriebs erschwert. Durch lokale Netze und später durch den Anschluss an das Internet konnten diese Probleme überwunden werden.

Während das Internet bis in die neunziger Jahre weitgehend im akademischen und Forschungsbereich eingesetzt wurde, konnte durch die Einführung von HTML und dem "World Wide Web" durch Tim Bennet-Lee 1992 das Internet popularisiert werden. Neben großen Angeboten an verschiedensten Anwendungen und Dienstleistungen wurden vor allem Sicherheitsprobleme, die in dem ursprünglichen Internet aufgrund der Anwendung keine Nachteile bedeuteten, mittlerweile gravierend. Damit entstand eine neue Dimension, welche rechtliche Fragen in bisher nicht bekanntem Ausmaß aufwarfen. Weiter entstand plötzlich ein zunehmender Bedarf an Übertragungsleistung, um die Flut insbesondere auch graphischer Information, die über das Internet verteilt wird, zu handhaben. Galten früher ein paar Tausend Bits pro Sekunde als hinnehmbare Übertragungsgeschwindigkeit, so werden heute Netze mit 10 oder mehr Gigabit/s (Milliarden Bits pro Sekunde) geplant bzw. sind bereits realisiert. Aber noch zeichnet sich hier keine Sättigung des Bedarfs ab.

Technik

Mit der Entwicklung der Übertragungstechnik wurden verschiedene Protokolle eingeführt, welche das Miteinander autonomer, kommunizierender Systeme regeln, um einen geordneten, gegebenenfalls gesicherten Datenaustausch durchführen zu können. Wegen der Breite der Anwendung, gelegentlich auch aus politischen oder kommerziellen Erwägungen, wurden relativ viele Protokolle entwickelt, von denen mehrere bereits längere Zeit im Einsatz sind. Gleichzeitig fällt auf, dass die Rechnernetztechnik von verschiedenen Fachrichtungen ausging. Während die Nachrichtentechnik mit der Digitalisierung des Telefons (ISDN) heute vorwiegend informatische Konzepte einsetzt, übernimmt die Informatik mit der Übertragung von bewegten Bildern (Video) und Audio in der Multimedia-Technik immer mehr Konzepte der klassischen Medientechnik, um ihre Anwendungen nutzerfreundlicher zu gestalten. Ebenso sind Elektrotechnik und verschiedene Anwendungen stark an Konzepten der Informatik interessiert.

Um diese Technik verstehen und mitgestalten zu können, muss ein Grundverständnis dieser Protokolle, deren Ziele und Vorteile insbesondere Informatikern bekannt sein.

In dieser Publikation werden wichtige Fragestellungen und Lösungsansätze aus dem Gebiet Rechnernetze behandelt. Es wendet sich an Studenten der Informatik, sowohl an Universitäten als auch an Fachhochschulen. Darüber hinaus ist es auch zum Selbststudium geeignet und zum Nachschlagen wichtiger Stichworte, da es die verschiedenen Aspekte von Rechnernetzen in einzelnen, zusammenhängenden Abschnitten beschreibt, ohne daß allzusehr auf andere Abschnitte aufgebaut wird.

Bei der Themenauswahl wurde auf eine gewisse Breite Wert gelegt. Viele Bücher aus dem Gebiet der Rechnernetze beschränken sich einseitig auf die Darstellung der Standards nach dem ISO/OSI-Basisreferenzmodell oder auf die TCP/IP-Protokolle. In heutigen Systemen werden aber beide Standards, neben weiteren, eingesetzt, so dass eine entsprechende Grundkenntnis aller Ansätze vorhanden sein sollte. Diese werden in diesem Buch ebenso vermittelt wie weiterführende Gebiete, die in den klassischen Standards nicht geregelt sind. Hier sind vor allem die Gebiete Netzwerkmanagement und Hochgeschwindigkeitsprotokolle zu nennen. Außerdem gehen wir ausführlicher als üblich auf Fragen der Leistungsbewertung von Rechnernetzen, Verschlüsselungstechniken sowie der formalen Spezifikationstechniken ein.

In diesem Buch betrachten wir neben dem klassischen Gebiet Rechnernetze teilweise auch Bereiche, die eher der Telekommunikation zuzuordnen sind. Dieses rechtfertigt sich vor allem aus dem Entwicklungsstand der Technik, da die diese beiden Gebiete immer enger zusammenwachsen. Darüber hinaus spielen bei der Übermittlung von Daten heute die digitalen öffentlichen Netze, insbesondere das ISDN-Netz, eine immer bedeutendere Rolle, so daß ohne ein Grundverständnis der Verfahren und Methoden der Telekommunikation keine großflächigen Rechnernetze aufgebaut werden können. Techniken wie XDSL werden in absehbarer Zeit auch dem "Normalanwender" die Möglichkeit geben, hohe Übertragungsraten über eine einfache Telefonleitungen zu erzielen, so dass solche Techniken bekannt sein müssen.

Das Gebiet Rechnernetze und Telekommunikation umfasst einen sehr großen Bereich von technischen (Elektrotechnik, Lichtwellenleiter), theoretischen (Theorie der Fehlersicherung, Kodierungstheorie, Warteschlangentheorie), juristischen (Datenschutz, öffentliche Datennetze) und praktischen Fragen (Erstellung von Kommunikationssoftware, Betriebsaspekte von Rechnernetzen). Dieser Breite der notwendigen Untersuchungen ist in der Regel nicht mit einem einheitlichen, geschlossenen formalen Konzept beizukommen, so daß das Thema Rechnernetze einen ingenieurmäßigen Ansatz verlangt, und daher auch von uns mit eher pragmatischen Methoden in Angriff genommen wird; dennoch scheuen wir uns nicht, wo nötig auch mathematische oder andere formale Techniken vorzustellen und anzuwenden.